Marianne und ich (3)

Später habe ich oft darüber nachgedacht, ob ich überhaupt je in sie verliebt war. Oder ob es überhaupt nur deshalb zu einer Beziehung mit Marianne kam, weil wir sofort Sex miteinander hatten. Nach der Trennung von Renate hatte ich nur einmal mit einer Frau geschlafen. Und die war dabei zu besoffen, um irgendetwas zu merken. Ich war sexuell ausgehungert, aber Frauen gegenüber zu schüchtern. Ich fand die lange Dünne neben mir nett. Vor allem hatte sie denselben Humor wie ich, war offensichtlich völlig unverklemmt und für meine Begriffe ziemlich erwachsen. Eine Frau eben, kein Mädchen wie die meisten anderen Sekretärinnen und weiblichen Aushilfen im Haus.

Als Herr König verraten hatte, dass er einen Schlüssel besaß, und zudem die Feier für beendet erklärte, löste sich die Gesellschaft schnell und paarweise auf. Es war mittlerweile Heiligabend, eine extrem kalte Nacht. Der Graben der Allee war zugefroren, an den Ästen der Bäume hingen Eiszapfen. Marianne und ich gingen einfach los, sie hatte sich bei mir eingehakt. Ich hatte eine halbe Flasche Jack Daniels in der Manteltasche, sie eine große Flasche Cola. Und dann fiel der schlimmste Satz, der in solchen Situationen fallen kann: Gehen wir zu dir oder zu mir? fragte sie. Aber plötzlich hört sich das einfach nur sachlich und vernünftig an. Wo wohnst du denn? gab ich zurück. Sie nannte eine Straße in einem anderen Stadtteil, und ich sagte bloß: Dann ist es zu mir weniger weit.

Um auf das Thema, das Robby am meisten interessiert, zurückzukommen: Ihr war kaum eine Praktik fremd und es gab nur wenige Dinge, die sie beim Sex nicht mochte. In all den Jahren hat sie mir nie erlaubt, in ihrem Mund zu kommen. Es war mir nie wichtig genug, darauf zu bestehen. Wir hatten ein Standardprogramm, das uns beiden guttat, und das ungefähr Dreiviertel der Geschlechtsakte ausmachte. Sie mochte es, auf der Bettkante zu knien, sodass ich es ihr von hinten besorgen konnte. Wenn sie auf mir ritt, dann tat sie es langsam und so, dass ich möglichst tief eindringen konnte.

In meiner kleinen Wohnung unter dem Dach ging sie erst einmal auf und ab und inspizierte die Räume mit allen Ecken und Winkeln. Und wo schläfst du? fragte sie. Ich deutete auf das Klappsofa. Dann mach mal das Bett, während ich mich im Bad zurechtmache. Ich tat, was sie mir befohlen hatte, setzte mich auf den Stuhl am Tisch und wartete auf sie. Sie kam nackt ins Zimmer. Das Bild hat sich mir tief eingebrannt. Die langen sehnigen Beine mit dem tiefschwarzen dicken Haarbusch oben. Ein konkaver Bauch und darüber zwei flache Brüste mit kaum sichtbaren Warzen. Ausgeprägte Schlüsselbeine und ein recht langer Hals. Von der Seite sah man sanfte Vertiefungen zwischen den Muskelsträngen ihrer Oberschenkel. Ihr Hintern war straff und so klein, dass er kaum mehr als eine Hand füllte.

Was ist? sagte sie und schlüpfte unter die Bettdecke. Ich zog mich aus und kam zu ihr. Hier, sagte sie und drückte mir etwas in die Hand, kannst du mir mal bitte das Schaumzäpfchen einführen? Verhütung, verstehst du? Ich verstand nicht, und ich konnte es auch nicht. Ganz nüchtern erläuterte sie, dass das Ding etwa so lange brauchte, sich aufzulösen, wie ein übliches Vorspiel dauerte. Ich hatte noch nie von so etwas gehört. Renate hatte von Anfang an die Pille genommen; Verhütung war deshalb bei uns kein Thema. Routiniert griff sie dann nach meinem Schwanz, machte ein bisschen daran rum, um sich anschließend auf mich zu setzen und loszulegen. Der Schaum brannte wie Feuer an meiner Eichel.

Später tranken wir wieder Whisky-Cola, und irgendwann schliefen wir einfach ein. Als ich wach wurde, war es wieder hell. Ein strahlend sonniger Tag, dieser Samstag vor Weihnachten. Ich lag allein im Bett, hörte aber die Klospülung. Dann kam sie ins Zimmer, ausgehfertig, beugte sich zu mir, gab mir einen langen Kuss und sagte: Bin spät dran. Mein Zug geht in einer Stunde Minuten. Fahre über Weihnachten zu meiner Mutter. Muss vorher noch nach Hause und packen. Mach’s gut. Und tschüss. Weg war sie. In diesem Moment war ich vollkommen sicher, sie nie wieder zu sehen. Oder höchstens einmal zufällig am Kopierer in der zweiten Etage. Aber das war mir erst einmal egal. Ich drehte mich um und schlief wieder ein.

War es das, was ich aufschreiben sollte? Wie wir uns kennengelernt hatten? Vermutlich nicht. Denn Robby hatte ja auch die vielen anderen Geschichten über Marianne und mich gehört. Zum Beispiel über unseren Sommer in Spanien. Nachdem wir am Rosenmontag aus Paris zurückgekehrt waren, beschlossen wir einen gemeinsamen Urlaub. Den ganzen Sommer lang, sagte sie. Ich stimmte zu. Mitte Juni wollten wir los und erst im August wiederkommen. Wir nahmen uns also vor, bis dahin so viel Geld wie möglich zu verdienen, damit wir uns acht Wochen Ferien würden leisten können.
Für Sie war das nicht schwer. Sie musste nur durchgehend die gutbezahlten Angebote der Zeitarbeitsfirma annehmen. Ich konnte noch bis zum März Überstunden am Kopierer schieben. Danach schuftete ich sechs Wochen im Akkord in der Glashütte. Wir waren ein Trupp Studenten, dessen Aufgabe es war, in regelmäßigen Abständen in eine Fabrikationshalle zu gehen und die glühend heißen Maschinen zu ölen. Wir wurden pro Dreistundenschicht bezahlt, und ich schob sechs Tage die Woche jeweils vier solcher Schichten.

Je nach Einteilung kam ich mitten in der Nacht nach Hause oder am späten Vormittag. Wir sahen uns nur noch sonntags, und unser Sexleben trocknete aus. Aber ich verdiente jeden Tag 120 Mark! Und hatte Glück danach bei einer Orga-Firma zu landen, wo es darum ging, alte Akten aus einem muffigen Keller zu holen. Eine Brigade heftete die Dokumente in Mappen ab, die wir dann in moderne Regale brachten. Wir wurden pro Hundert Akten bezahlt. Irgendjemand hatte sich schwer verkalkuliert, denn wir schafften zu dritt problemlos fünfzig Stück in drei Stunden und kamen so auf Stundenlöhne von Facharbeitern.

Anstrengend war die Arbeit schon, aber wir hatten genug Zeit, ausgiebige Pausen einzulegen. Und um sechs war Feierabend. Marianne und mir ging es wieder gut. Wir fanden ein Stundencafé in der Nähe, das wir zu unserer Stammkneipe machten und in dem wir jeden zweiten Abend aßen. Und trotzdem hatten wir Anfang Juni fast 4000 Mark gespart. Das sollte für den angestrebten Urlaub reichen. Wir waren jung und vor allem naiv. Also kauften wir einen dunkelgrünen Ford 17m für 1000 Mark, weil der eine durchgehende vordere Sitzbank hatte, 95 PS und noch fast sieben Monate TÜV. Notfalls, so überlegten wir, könnten wir auf den Liegesitzen schlafen, wenn wir keine Pension und kein Hotel fanden. Wir schafften Schlafsäcke an und gingen gemeinsam Sommerkleidung kaufen. Unter anderem Sportschuhe im Partnerlook.

Schreibe einen Kommentar