Kampfhund

bullterrierThibaud hatte sich einen Hund zugelegt. Beziehungsweise: Ihm war einer zugelaufen. Eine seiner Seminarteilnehmerinnen, ein schweres, westfälisches Mädchen, deren Mutter aufgrund sexueller Frustration zur radikalen Tierschützerin geworden war, berichtete, dass bei ihr zu Hause, einer typischen Doppelhaushälfte am Rande von Lüdenscheid, inzwischen siebzehn Hunde lebten, und dass sie fürchte, ihrer Mutter würde die Sache über den Kopf wachsen, was mit ziemlicher Sicherheit in der Psychatrie enden würde. Die junge Frau hatte einen weißen Welpen mitgeführt, den sie, genau wie einige andere Tiere aus dem Haus ihrer Mutter, weiterzugeben gedachte. Es handele sich vermutlich um das Ergebnis einer Beziehung zwischen einem Galgo und einem Pitbull-Terrier, sagte die Westfälin, der circa zehn Monate alte Rüde stamme aus einem Tierheim in Toledo und sei, wie die meisten Hunde ihrer Mutter, von einer Hunderettungsinitiative nach Deutschland transportiert worden.

Jetzt saß der weiße Hund in einem Korb neben dem Esstisch und sah sein neues Herrchen erwartungsvoll an. Sein Körper war der eines Windhunds, nur die kegelförmige Nase und die kleinen Augen ließen darauf schließen, dass einer seiner Eltern ein Kampfhund sein konnte. Thibaud wollte gerade zu einem Vortrag ansetzen, da stand Hansherbert auf und sagte: “Mir schmeckt das Essen nicht, wenn mich ein Köter dabei anschaut.” Zilly lachte und Thibaud setzte ein Grinsen auf. “Warum musst ausgerechnet du denn einen Hund haben?” fuhr Hansherbert fort. “Er ist ein Element meines neues Selbstversuchs,” antwortete Thibaud. “Almodovar, den ich Almo rufe…,” der Hund spitzte die Ohren und richtete sich auf, “…soll mir helfen, mich sowohl mit der Natur als auch der Zivilisation zu versöhnen.” Xserfa stöhnte leise und murmelte, “Geht’s nicht ne Nummer kleiner?”

Das Tier war aufgestanden, hatte sich ausführlich gestreckt und gegähnt, dabei ein gefährliches Gebiss entblößt, und roch an Xserfas nacktem Fuß. “Nein, meine Liebe,” begann Thibaud, “es ist das, wofür ein Haushund steht: die Natur in der Zivilisation. Ich muss mich mit der Natur des Hundes auseinandersetzen. Ich muss mich so verhalten wie es der Natur des Hundes entspricht. Ich muss mich in ihn hineinfühlen. Und gleichzeitig ist es meine Aufgabe als hundehaltender Mensch, dem Tier das Leben in der Zivilisation erträglich zu machen.” Doris, deren Lebensgefährte einen Irish Wolfshound besaß, nickte. “Almo hat einen starken Jagdtrieb”, fuhr Thibaud fort, “wenn er ein Kaninchen oder eine Ratte wittert oder sieht, dann muss er jagen. Er kann nichts dagegen tun, das ist seine Natur. Aber geht seinem Trieb in einer Umgebung nach, die für ihn gefährlich ist. Ich muss ihn kontrollieren, damit er nicht bei der Jagd auf die Straße läuft und überfahren wird. Ich bin sein Beschützer vor den Gefahren der Zivilisation.”

Der weiße Hund hatte inzwischen die Füße und Beine unter dem Tisch berochen und sich für Zilly entschieden. Er legte ihr seinen Kopf auf den Oberschenkel und wartete darauf, gestreichelt zu werden. “Mir geht es genau wie ihm”, meinte Thibaud nach einer Weile, “wenn ich meine Triebe auslebe, gefährde ich mich. Ich muss auch meine Natur mit der Zivilisation versöhnen.” Trissa brachte die Schüsseln mit den geschmorten Kaninchen, und wir aßen mit großem Genuss.

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