Thibaud war mir immer als extremer Mensch erschienen. Jemand, der extreme Gedanken dachte, und auch vor extremen Taten nicht zurück schreckte. Wir alle bewunderten ihn, fürchteten ihn aber auch, denn er hatte oft genug bewiesen, dass sein schrankenloses Denken und Tun uns zu unbedachten Aktionen herausfordern konnten. Aber letztlich kehrten wir alle wieder in unsere ruhigen und gefahhrlosen Existenzen zurück. Trotz allem war Thibaud kein Guru, kein Missionar, kein Held und auch kein Führer. Edmund hatte einmal angemerkt, dass Thibaud ein Solitär wäre, ein Einzelstück ohne jede Bindung an Konventionen und an Menschen. Zilly hatte dieser Ansicht zu Recht widersprochen mit der Begründung, selbst ein so großer und einsamer Geist wie Thibaud brauche ein Publikum und Menschen, denen er vertrauen kann.
Dass er bis etwa zu seinem fünfzigsten Lebensjahr ein anderer gewesen war, konnten wir nur aus seinen wenigen Andeutungen über sein frühere Existenz entnehmen. Es lief darauf hinaus, dass Thibaud eine ziemlich konventionelles Leben geführt haben muss, und dass dann etwas vorgefallen war, das ihn, wahrscheinlich ungewollt, aus diesen Umständen hinaus katapultiert hatte. Hansherbert vermutete einmal, eine schmerzhafte Trennungsgeschichte, der Verlust einer geliebten Person oder der eigenen Familie müsse der Grund sein. Niemand wagte es, ihn darauf anzusprechen, bis sich Zilly eines Abends, wir saßen während eines schweren Gewitters unter dem Vordach der Terrasse seines Seehauses und applaudierten den Blitzen, ein Herz fasste und ihn fragte.
Thibaud schwieg lange. Erst als sich das Unwetter verzogen hatte und sich über dem östlichen Zipfel des Sees ein prächtiger Regenbogen zeigte, sagte er: “Es war nicht die Tatsache, dass sie mich wegen eines Anderen verlassen hatte, die mich werden ließ, was ich bin, sondern die Erkenntnis, dass schwache Menschen mit Lüge und Verrat alles erreichen können und der Ehrliche der Verlierer ist so lange er sich nicht von allen Abhängigkeiten befreit.”