Eine Zeitlang zählte es zu den Ritualen unserer Treffen, dass jemand von einem Traum berichtete. Ich erinnere mich vor allem daran, wie Rudolph einen Traum auf seine besondere Art vortrug. Den meisten kam es vor, als stammele er, aber wir anderen wussten, dass sein Sprechen ein Spiegel seiner Seele war. Sein Bericht ging ungefähr so: „Viele Räume, das Haus. Das Haus. Schwiegereltern froh über mein Scheitern. Dann mit Frau und Kind ins Vorderhaus. Viele Räume. Gänge, Treppen. Sonne scheint. Wir halb unter der Erde. Kein Weg raus. Beschweren uns. Das Haus. Jetzt oben, oben, Terrasse. Im Licht. Baby weint, Schwiegwermutter schreit: Lieber einen Hund! Hab mich im Keller verirrt. Höre jedes Wort.
Ganz viele Räume da unten. Das Haus. Kleine Zimmer, sehr kleine. Alle mit Glühbirne. Tür auf, Tür zu. Dann im U-Bahn-Tunnel. Metro, Paris. Schwiegermutter brüllt immer noch. Sandra weint. Ich komm gleich, ruf ich. Bin dann in Berlin. Im Untergrund. Vor einer Tresortür. Da kenn ich die Kombination. Wieder das Haus. Alles umgebaut. Schwiegereltern lächeln: Endlich, Junge. Oben auf unsere Wohnung. Fenster, Terrasse, Sonne. Sandra glücklich. Streichelt den Hund. Dahinten das Meer. So eine stille Musik. Wo ist das Kind? frag ich. Sie zeigt auf den Hund. Jetzt wird alles gut, sagt sie. Plötzlich Krach und Feuer, Schüsse. Männer mit Helmen. Glas splittert. Die Wände schwarz. Rauch. Schwiegervater voll mit Blut. Wird erstochen. Nur noch Trümmer. Ich und Hund in den Keller. Viele Räume. Lange Gänge. Immer nur eine Glühbirne. Ein dunkelblaues Badezimmer. Da bade ich das Baby. Der Raum fährt wie ein Aufzug. Nach oben. Endstation Fernsehturm. Nur ein Raum. Riesig und leer. Unter uns die Stadt zerstört. Ein Flugzeug. Direkt auf uns zu.“
An der Stelle sei er aufgewacht. Das Baby habe leise geweint, aber Sandra habe tief und fest geschlafen. Am Nachmittag seien sie dann zu den Schwiegereltern an den See gefahren.