Klaus auf Kuba (2)

Sie sitzen ganz allein in der Kantine der Plantage und essen Congrí. Die Mittagspause hat noch nicht begonnen, aber der Koch hat ihnen rasch zwei Portionen warmgemacht, weil Ramos und Klaus so verhungert aussehen. Dann strömen die Arbeiterinnen und Arbeiter hinein, und ehe Klaus es ganz mitkriegt, ist er umringt von einem Dutzend schöner junger Frauen, die auf ihn einreden. Sehr oft, übersetzt Ramos, kommen hier keine blonden Männer hin. Da ist eine sehr dunkle Arbeiterin, die sich direkt neben ihn gesetzt hat. Sie spricht in auf Englisch an. Er findet sie aufregend mit ihrer riesigen Afrokrause und den weichen Gesichtszügen. Wo er herkommen, fragt sie, ob er Amerikaner sei, Tourist oder Geschäftsmann. Ob er mehr als einen Tag bleibe. Wenigstens eine Nacht? Nachdem die Kolleginnen und Kollegen wieder an die Arbeit gegangen sind, bleibt sie sitzen. Ich heiße Zazuela, sagt sie, sei heute Nacht mein Gast. Und ich? fragt Ramos. Du auch.

Sie hat drei Schwestern. Alle wohnen in einem kleinen Haus. Jede hat ein eigenes Zimmer für sich und ihre Kinder. Es gibt eine Gemeinschaftsküche, ein Bad und eine große, halb übderdachte Veranda. Maria ist nicht da, sagt Zazuela zu Ramos, du kannst in ihrem Zimmer schlafen. Mein Sohn geht zu Rosa, im Bett der Kinder ist bestimmt noch ein Platz frei. Klaus fühlt sich willenlos und lässt sich in der Situation treiben. Er schwimmt in der trockenen Hitze, in seinem eigenen Schweiß und hat ständig Durst. Rosa kommt aus dem Haus und begutachtet ihn. Qué hombre lindo! ruft sie und klatscht in die Hände. Sie ähnelt ihrer Schwester kein bisschen, wirkt wie eine alte Frau. Dann sitzen die Erwachsenen am Tisch und essen, was die ältere Schwester gekocht hat. Zazuela hat einen Fruchtpunsch angesetzt, und Klaus spürt nach dem dritten Glas, wie viel Rum sie hineingetan hat.

Am nächsten Morgen geht es ihm schlecht. Er hat Kopfschmerzen und spürt das Essen vom Vortag in seinen Eingeweiden arbeiten. Er erinnert sich, dass ihn die Frau in ihr Zimmer gebracht und ausgezogen hat. Er ist sich nicht sicher, ob sie beide dann nackt unter einem Laken gelegen haben. Er fürchtet, er habe mit Zazuela den Geschlechtsverkehr ausgeübt. Es ist Sonntag, und Ramos und er sitzen allein beim Kaffee, den ihnen Rosa hingestellt hat. Du wirst Geld dalassen müssen, sagt Ramos. Ja, sicher, entgegnet Klaus, für das Essen, die Getränke und die Übernachtung. Nein, nein, antwortet sein Guide, Liebeslohn. Und lacht, sodass man seine Zahnlücke gleich hinter dem oberen rechten Eckzahn sehen kann. Also legt Klaus einen Hundertdollarschein auf den Tisch und beschwert ihn mit der Kaffeetasse. Genug? Ramos nickt.

Unterwegs schläft Klaus trotz der Hitze und der Schaukelei auf den kaum befestigten Bergstraßen ein. Erst im Traum erkennt er, wie die Nacht mit Zazuela war. Träumt von ihrem schweißnassen Körper, der in dem wenigen Licht glänzt, das in der Nacht ohne Mond durch die Fensterläden aus Holz drang. Ihr spitzen Brüste, die er umfasst hält, während sie auf ihm reitet. Ihr Haare wiegen sich wie Gebüsch im Sturm. Später sagt Ramos: Mach dir keine Gedanken, das war alles okay so. Zazuela ist alleinerziehend, sie braucht das Geld. So oft wird sie keine Gelegenheit haben, sich auf diese Weise etwas von einem reichen Touristen dazuzuverdienen. Klaus fragt sich auf der nächsten Etappe nur, ob er sich vielleicht in Zazuele hätte verlieben können. Ob sie möglicherweise die passende Geliebte und Gefährtin für ihn wäre.

Raul und Conchita wohnen in einem Koglomerat aus vier, fünf Hütten am Berg. Man hat sie unter den letzten Bäumen vor dem Ende der Vegetation erbaut. Ursprünglich hausten hier Jäger, dann Forscher, die sich mit den Auswirkungen des Kimawandels befassen sollten. Dann gab man das Lager auf. Ramos erklärt, das Paar habe die Häuser erst vor drei Jahren entdeckt und nach und nach wieder bewohnbar gemacht. Es wäre eine Art Feriendomizil. Conchita begrüßt Ramos überschwänglich und nimmt auch Klaus in den Arm. Raul sei gleich wieder da, er hole gerade noch Wasser von der Quelle. Jede Hütte bildet ein eigenes Zimmer, alle sind auf merkwürdige Weise miteinander verbunden, denn jede steht auf einer anderen Höhe und kein im rechten Winkel zur nächsten. Vor dem Häuschen, das am tiefsten im Wald sitzt, gibt es eine Art Freiluftbadezimmer mit einem großen Holzbottich und zwei Duschen über nacktem Beton.

Die beiden arbeiten in Havanna in der Unterhaltungsbranche; sie ist Tänzerin, er Saxofonist. Weißt du, beginnt Conchita und Ramos übersetzt, das hältst du nicht länger als drei Wochen am Stück aus: drei Vorstellungen pro Tag, sieben Tage die Woche. Deshalb gibt es drei Ensembles. Wir arbeiten also drei Wochen, dann haben wir zwei Wochen Pause. Dann sind wir natürlich hier. Sie hören einen altersschwachen Diesel. Raul fährt in einem Willys vor, der keinen fahrtüchtigen Eindruck macht. Er hat eine laute Stimme und brüllt Ramos und Klaus an. Dann nimmt er sie gemeinsam in den Arm, und Klaus hat Angst erdrückt zu werden. Ihr könnt so lange hier bleiben wie ihr wollt, ruft Raul. Nur eine Nacht, antwortet Ramos, Klaus ist Tourist und hat nicht so viel Zeit.

Später gibt es Kaninchen vom offenen Feuer, Tomaten und Brot. Der Gastgeber zapft Rotwein aus einem rostigen Fass, das unter einem Vordacht auf Böcken liegt. Es ist vollkommen still, wenn Conchita mit ihrer schnellen, hellen Stimme nicht gerade eine Anekdote erzählt oder Raul gröhlend lacht oder laute Bemerkungen macht. Das Feuer in der großen Metallschale knistert leise. Dann fragen sie Klaus aus. Wer er sei, woher er komme, wie ihm Kuba gefalle, ob Ramos ein guter Reiseführer sei. Dann haben sie das Fleisch aufgegessen, das Feuer ist niedergebrannt, und Raul pinkelt auf die letzte Glut. Ihr auch, sagt er, eine Sicherheitsmaßname. Ramos und Klaus schließen sich an. Er geht ins Haus und kommt nach einer Weile nackt zurück. Jetzt gehen wir alle ins Wasser, brüllt er, los, los!

Tatsächlich passen alle vier in de Bottich. Das Wasser hat eine angenehme Temperatur, und dort mit wildfremden Menschen einer anderen Kultur Körper an Körper zu sitzen, kommt Klaus überhaupt nicht komisch vor. Ein wenig Licht scheint vom Hüttendorf herüber. Raul ist stark behaart, nur der Hals unter dem gestutzten Vollbart scheint glatt zu sein. Wie ein schwarzer Bär sitzt er aufrecht da und brummt vor Wohlbehagen. Er hat Conchita beim Einstieg beobachtet. Sie ist eine Tänzerin, das meint er an ihren Bewegungen erkennen zu können. Ihre Haut hat einen olivfarbigen Glanz, sie trägt das Haar ganz kurz und ist am ganzen Körper enthaart. Nur Ramos scheint sich unwohl zu fühlen und sagt schon nach wenigen Minuten: Ich bin müde, ich geh schlafen. Warte, sagt Raul, ich zeig dir dein Bett. Also bleiben Conchita und er allein zurück. Eres guapo, sagt sie und rückt an seine Seite, so dass ihre Schenkel sich unter Wasser berühren.

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