
Mein Leben als Schreibmaschine
Nachdem mir Fräulein Krämer in den späten Fünfzigerjahren auf der Volksschule an der Kirchfeldstraße das Lesen und Schreiben beigebracht hatte, war einiges in meinem Leben vorgezeichnet. Ich las alles, was ich in die Finger bekam, und ich schrieb auf, was mir so durch den Kopf ging. Von vornherein dafür gedacht, veröffentlicht zu werden.
So begann ich mit zehn oder elf Jahren, Kurzgeschichten zu verfassen und sie der Familie vorzutragen – »Einakter« nannte mein Vater diese Texte, von denen einer von einem Astronauten handelte, der sich den Erdball von oben ansieht. Am Leibniz-Gymnasium wurde ich selbstverständlich Redakteur der Schülerzeitung namens »Denk-Mal«.
Doch dann lenkte mich mein bester Freund Jörg vom Schreiben ab, denn der war auf dem Weg, Maler zu werden. Dem wollte ich nacheifern, was ab 1971 einem Lehramtstudium an der Kunstakademie mündete. Dass Bilder nicht meine Medien waren, deckte Professorin Schiff schnell auf. Sie sagte: »Gehen Sie doch einfach mal raus und beschreiben Sie, was Sie sehen.«
Recht hatte sie. Über meinen Kollegen im Zivildienst kam ich an gelegentliche Einsätze als Filmkritiker für die Rheinische Post. Die Artikel tippte ich auf einer mechanischen Remington. Mit dem Kauf einer Triumph Gabriele 8008 erfüllte ich mir einen Traum. Das Verfassen von Geschichte per Hand war ab da Vergangenheit.
Schreiben wurde mein Beruf. Eher zufällig wurde ich Chefredakteur einer Computerzeitschrift und schrieb zwischen 1983 und 2010 mehr als einhundert Fach- und Sachbücher zum Thema. Erster zarter Versuch, literarisch sichtbar zu werden, war ein Fortsetzungskrimi in der Zeitschrift. Es folgten mehrere kurze Beiträge zu Anthologien über die moderne Technik.
1990 erschien in der Reihe rororo tomate ein humoristisches Büchlein mit dem Titel »Computer leiden leise«, das sich sogar ganz gut verkaufte. Im Hintergrund arbeitete ich zu dieser Zeit an zwei oder drei Romanen, von den sich Fragmente erhalten haben. Leider war ich gezwungen, ein paar Jahre für Geld in einer PR-Agentur zu arbeiten und dort Pressetexte am Stück zu schreiben. Um bei klarem Verstand zu bleiben, verfasste ich nun im Wochenrhythmus Kurzgeschichten, die ich ab 2002 in meinem Blog veröffentlichte.
In den Jahren 2005 und 2007 entstanden die Romane »Wie die Nase« und »Jede Hoffnung«, die ich als Books on demand veröffentlichte. Die eBook-Versionen liefen gar nicht einmal schlecht. Außerdem begann ich die Arbeit an den Greiper-Krimis, einer Serie von 13 Romanen rund um Hauptkommissar Robert Greiper, die alle in meiner Heimatstadt spielen, ohne dass diese je erwähnt wird.
Ende 2017 wurde ich tätiger Rentner, also Ruheständler, der im Kampf gegen die Altersarmut weiterhin Geld verdienen muss. Aber mit mehr Zeit, die ich von da ab vorwiegend in meine schriftstellerische Arbeit investierte. Und so schreibe ich Tag für Tag mindestens eine Stunde lang, immer wieder Kurzgeschichten, von denen es bald über 500 Stück gibt, und die Romane, die ich teilweise vor vielen Jahren konzipiert oder begonnen habe.
Und so sitze ich hier und frage mich, wie jemand als alter weißer Cis-Mann überhaupt noch eine Agentur oder einen Verlag finden kann. Und gleichzeitig schreibe ich immer weiter, jeden Tag.