Klaus auf Kuba (3)

Dann greift sie nach seinem Geschlecht, das sofort anschwillt. Raul kommt laut singend aus dem Haus und hat eine gewaltige Erektion. Er springt in den Pool und hebt Conchita hoch, um sie auf seinen Schwanz zu stecken wie ein Legomännchen auf Noppen am Baustein. Klaus flüchtet aus dem Wasser und hört die beiden grunzen und hecheln und winseln und schreien. Er findet Ramos, und sie fahren sofort los. Mitten in der mondlosen Nacht holpern sie im Schritttempo über die Waldwege bis sie gegen Morgen die Fernstraße erreichen. Und jetzt? fragt Klaus. Fahren wir durch zu meiner Familie. Unterwegs finden sie eine Bretterbude, die sich selbst Caffé nennt. Eine zahnlose Frau und ihr zahnloser Mann servieren hervorragenden Kaffee, Eier in Tomatensosse und selbstgebackenes Brot. Das macht sie satt, aber nicht wacher. Es sind noch zweihundert Kilometer bis Dos Bacos.

Die Situation am Haus von Raul und Conchita lässt Klaus keine Ruhe. Er fragt sich, welche Rolle Sex in einer solch stabilen Beziehung wie die der beiden spielt. So etwas wie Klebstoff? Oder eine Methode, die Machtverhältnisse klarzustellen? Oder hat das Geschlechtliche keine Bedeutung außer einer rein hormonellen, und der Geschlechtsverkehr ist nur so etwas wie Unterhaltung. Kurz nach der Abreise hat Ramos gesagt: Der größte Unterschied zwischen Kuba und Deutschland ist, hier wird viel mehr gefickt. Klaus hat vergesse nachzufragen, woran das nach Meinung seines Begleiters liegen mag. Er vermutet, es hat mit der Armut zu tun, dass die Menschen sich nicht viel mehr Vergnügen leisten können als das, was nichts oder so gut wie nichts kostet. Offensichtlich sind Kubaner aber auch schneller bereit, mit Fremden zu vögeln. Es bedeutet ihnen nicht so viel, dass sie davon Aufhebens machen würden. Klaus merkt zum ersten Mal, dass er ein ernsthaftes Problem mit dem Sexuellen hat und beschließt, in Zukunft leichtherziger damit umzugehen und mit jeder Frau zu schlafen, die das anstrebt, oder die in sein Verlangen einwilligt.

Das ist ungewöhnlich für die Jahreszeit, sagt Ramos, als sich dichte Wolken über dem Flachland zusammenziehen und immer tiefer sinken. Sie können von Weitem erkennen, dass gewaltige Wassermassen zu Boden stürzen. Es ist beinahe windstill. Der Guide hält an und meint: Das warten wir ab. Er kramt eine Zigarre aus dem Handschuhfach und schneidet sie mit dem Messer in zwei gleiche Teile. Hier, sagt er, und bietet Klaus ein Stück an. Der hat in seinem Leben noch nie geraucht. Findet aber, auch das müsse er jetzt einmal ausprobieren. Ramos bringt ihm bei, die Glut zu erzeugen und am Leben zu halten, den Rauch mehr zu schlucken als einzuatmen. Der Geschmack gefällt Klaus, das Rauchen als Tätigkeit nicht so sehr.

Sag mal, fragt er seinen Guide, bist du verheiratet oder verlobt oder hast du eine feste Freundin? Mmmh, entgegnet der nach dem er drei weitere Rauchwolken ausgestoßen hat, es ist kompliziert. Vor dem Gesetz bin ich seit meinem achtzehnten Lebensjahr mit einer Cousine verheiratet, damit die für sich und ihren Mann eine Wohnung in Santiago bekommen konnte. Mit Manuela habe ich drei Kinder, aber wir lieben uns nicht mehr. Weißt du, auf Kuba ist das nicht schlimm für Frauen, wenn sie allein mit Kindern leben. Es gibt eine Grundversorgung für Mütter, Ärzte und Medikamente kosten nichts, und vom sechsten bis zum siebzehnten Lebensjahr haben alle Kubaner ein Recht auf Schule. Ich schicke Manuela regelmäßig Geld, aber mit den Kindern möchte ich nichts zu tun haben. Sie wissen auch gar nicht, wer ihr Vater ist. Er holt eine Geldbörse heraus und zieht zwei Fotos hervor. Das, sagt er, ist Melia, meine Geliebte in Varadero, und das Canca, die ich heute in Santiago besuchen werde. Ich liebe sie beide, und wenn ich bei ihnen bin, dann schlafe ich auch mit ihnen; zwei-, drei-, viermal. Ramos lacht und macht eine unanständige Geste.

Vor dem Haus herrscht Tumult. Im Zentrum unter dem schütteren Baum steht ein Tisch mit so vielen Stühlen, dass gar nicht alle Platz haben. Alle Sitzgelegenheiten sind besetzt, und um den Tisch herum kreisen zehn, zwölf Erwachsene, während gut zwei Dutzend Kinder jeden Alters den äußeren Ring des Geschehens bilden. Aus einem Ghettoblaster schallt laute Tanzmusik. Nur wenige Leute tanzen, weil alle ununterbrochen reden. Klaus hat innerhalb weniger Minuten Kopfschmerzen. Ganz allen steht er an die Hauswand gelehnt, weil Ramos sofort in der Menge verschwunden ist. Jemand reicht ihm ein großes Glas Fruchtsaft, das er zum Teil leert und an dem er sich festhält. Dann sieht er sie. Ungefähr drei Meter entfernt auf einem Hocker sitzend, etwas außerhalb der Feier. Sie trägt ein kurzes, dunkles Kleid, raucht eine Zigarette und hat die Beine übereinander gelegt. Sie sieht anders aus als alle Frauen, die er bisher auf Kuba gesehen hat. Er würde nicht sagen, dass sie eine Weiße ist, aber ihre Haut ist kaum dunkler als seine eigene.

Kubaner sind Bastarde, hatte ihm Ramos erklärt. Mit der Revolution war auch Schluss mit dem alten Rassismus der weißen Herrscher. Fidel wollte ja, dass es allen Kubanern gleich gut geht. Oder gleich schlecht, wie sich herausstellte. Da war kein Platz für Rassentrennung. Da haben sich die Menschen einfach so gepaart wie es ihnen die Liebe befahl: Tiefschwarze mit Tiefschwarzen oder Braunen, Braune mit Weißen und mit Rothaarigen, Weiße mit Tiefschwarzen und so weiter. Ich behaupte, es gibt keine Kubaner mehr, die eindeutig zu einer der Hautfarben zuzuordnen sind. Du wirst eben kaum Menschen finden, die ganz und gar schwarzafrikanisch aussehen, aber auch keine, von denen man annehmen könnte, sie wären durch und durch weiß. Ich weiß zum Beispiel nur, dass meine Urgroßmutter eine richtig weiße Frau war, die sogar aus Spanien stammte. Mein Großvater mütterlicherseits war dagegen schwarz wie die Nacht. Wir sind alle Mischlinge.

Klaus ist verwirrt, weil er die Fremde im dunklen Kleid ganz plötzlich und sehr stark begehrt. Er denkt fieberhaft darüber nach, wie er sich ihr nähern und sie dann überzeugen kann, mit ihm ins Bett zu gehen. Zumal die Schönheit auf dem Hocker abweisend, angeekelt auf die Menschen vor sich schaut, sehr ernsthaft, überheblich. Dann wechselt sie die Position und schlägt nu ihr rechtes über ihr linkes Bein, wobei sie sich auch ein wenig dreht. Da fällt ihr Blick auf Klaus, und ihr Lächeln ist wie ein Sonnenaufgang im Zeitraffertempo. Sie erhebt sich langsam. Er erkennt wie groß sie ist, dass sie einen perfekten Körper mit anmutigen Bewegungen hat. Sie lehnt sich neben ihn an die Wand, streckt die Hand nach seinem Glas aus und sagt, ohne ihn anzuziehen: Darf ich? Klaus blickt starr geradeaus und reicht ihr sein Getränk. Er hört wie sie am Strohhalm zieht. Sie gibt ihm das Glas zurück und fragt: Zigarette? Er nickt.

Und dann wenden sie ihre Gesichter einander zu und sind beide so verblüfft, dass dieses Bild minutenlang einfriert. Sie hält ihm die Zigarette hin, aber er greift nicht danach. Dann sagt sie: Who are you? Und er vermag ihren Akzent nicht zu identifizieren. Klaus, sagt er, my name is Klaus. Sie wird ihm auch ihren Namen genannt haben, aber weil es in seinen Ohren rauscht hat er ihn nicht verstanden. Die schöne Frau mustert sein Gesicht ausführlich und sagt dann: I like you. Er nickt und denkt, ja, du gefällst mir auch. Dann versucht er herauszufinden, ob der Geruch, der ihm in die Nase und von dort bis ins Hirn zieht, ihr Parfüm ist oder einfach der Duft ihrer Haut. Er bewundert ihre Hände, die langen, feingliedrigen Finger mit recht kurz geschnittenen Nägeln, unlackiert. Weil er meist an ihr vorbei zu Boden schaut, erkennt er, dass sie wunderschöne Füße hat, die in halbhohen Schuhen stecken, die hauptsächlich aus Bändern bestehen. Dann nimmt sie seine Hand und führt ihn an der Menschenmenge vorbei durch das Tor und über die Straße den Hügel hinauf bis zum trocknen Buschwerk, hinter dem es schattig ist, und man sie nicht sieht.

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