Das hat nichts mit irgendeiner schwülen FKK-Philosophie zu tun und relativ wenig mit Erotik. Wir sind uns einfach einig, dass dies ein Ort ist, den man am intensivsten unbekleidet erlebt. Meist reicht es nur für ein langes Wochenende. Dann kaufen wir am Donnerstag Vorräte ein, beladen den Prius und sind in höchstens zwei Stunden da. Am Montag fahren wir in aller Frühe los, sodass Deborah pünktlich um acht im Laden ist. Ihr werdet euch fragen, wie wir die Zeit in der Hütte verbringen. Meine Antwort lautet: Wir leben. Weil wir ein Paar sind, bedeutet dies, dass wir miteinander reden, dass wir schweigend auf der Veranda sitzen oder im Grass in der Sonne liegen. Ich habe mir wieder eine Gitarre gekauft und viel geübt. Deborah bringt mir die Hippie-Lieder ihrer Eltern bei und singt sie mir vor. Die Stunde vor Sonnenuntergang verbringen wir vorzugsweise im hölzernen Jacuzzi, den Bill auf der Terrasse eingebaut hat. Manchmal geht Deborah in den Wald und sammelt je nach der Jahreszeit Beeren, Pilze und Kräuter. Außerdem bearbeitet sie den kleinen Gemüsegarten hinter dem Haus. Auch der Herd steht den Sommer über draußen. Ich koche die Mahlzeiten, wir essen gemeinsam, trinken den mitgebrachten Wein, und hinterher rauchen wir manchmal ein bisschen Gras.
Natürlich haben wir auch Sex in diesen Tagen im Wald. Und nicht nur nachts. Wenn ich in meinem Stuhl sitze und lese, kann es vorkommen, dass Deborah von hinten an mich heran tritt und meine Kopf zwischen ihre schweren Brüste nimmt. Dann stehe ich auf, nehme sie bei der Hand und suche uns einen schönen Platz am Waldrand oder mitten auf der abfallenden Wiese vor dem Haus. Auch in dieser Hinsicht passen wir bestens zueinander.
Vor ein paar Wochen waren wir wieder dort. Das Wetter war nicht gut. Es ging ein kalter Wind, der die Wolken über den hohen Himmel trieb. Und alle paar Stunden regnete es. Wir waren gezwungen, den ganzen Freitag und Samstag im Haus zu bleiben. Da lebten ein Mann und eine Frau mehr als 48 Stunden lang auf zwölf Quadratmetern zusammen. Diese Zeit empfand ich als noch harmonischer als all die Zeit, die wir sonst zusammen verbracht hatten. Mir kam der Gedanke, Bill zu fragen, ob er uns das Haus verkaufen würde. Wir würden Carmel aufgeben und ganz in Townie’s Retreat übersiedeln. Ich könnte uns gut ernähren mit meinen Artikeln und Büchern. Die könnte ich genauso gut dort schreiben und mit meinen Auftraggebern nur noch elektronisch verkehren. Aber dann traute ich mich nicht, Deborah diesen Einfall zu erzählen. Ich wusste, dass ihre Heimat am Pazifik liegt und ihr der Ort und ihre Arbeit im Laden sehr viel bedeutet.“

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