Ich bin ein Vulgärpazifist

Ja, ich gestehe: Ich bin immer noch Pazifist und werde es auch für den Rest meines Lebens bleiben. Auch wenn Kriegsertüchtigungsminister und ihre Nachplapperer diese Haltung abwertend „Vulgärpazifismus“ nennen. Selbst in Zeiten, in denen Robert Habeck und Campino erklären, heutzutage würden sie den Kriegsdienst nicht mehr verweigern. Ich habe diesen Kriegsdienst in den Siebzigerjahren verweigert, und es hat acht Jahre in drei Instanzen gedauert, bis man mich als KDV anerkannt hat. Immer noch lehne ich jede Form kriegerischer Auseinandersetzung ab. Immer noch gilt, was ich in der ersten Instanz zu Protokoll gab und was bei den Prüfern ungläubiges Staunen auslöste: Ich würde lieber unverletzt in einem besetzten Land leben als bei der militärischen Verteidigung seiner Freiheit verwundet zu werden oder zu sterben. [Lesezeit ca. 2 min] „Ich bin ein Vulgärpazifist“ weiterlesen

Vom Rauchen

Meine erste Zigarette rauchte ich mit vierzehn. Ich war als Austauschschüler in England und besuchte die Woking Grammar School für Boys, die es heute nicht mehr gibt. Eine durch und durch traditionelle Schule in einem düsteren Backsteingebäude. Das Tragen eines Schulblazers während des Unterrichts war Pflicht, das Mittagessen wurde gemeinsam mit den Lehrern im Speisesaal eingenommen. Dazu zogen wir uns um; jeder hatte ein zweites Jackett im Spind, das nur beim Essen getragen wurde. Dieses absichtlich zu bekleckern, war verpönt, aber das Kleidungsstück nicht zu reinigen, auch wenn es mit Speiseresten versehen war, gehörte zur Tradition. Alle Jungs rauchten, außer denen in den untersten beiden Stufen. Aber spätestens mit zwölf hatte man in den Club der Raucher einzutreten. Ob das Paffen offiziell verboten war, weiß ich nicht; auf dem Schulhof gab es jedenfalls Raucherecken, die vom Lehrkörper gemieden wurden. [Lesezeit ca. 4 min] „Vom Rauchen“ weiterlesen

Der große Bahnhof

Im Traum steht Klett vor einem großen Bahnhof. Die Fassade so breit wie zwei Fußballfelder und turmhoch. Aus Backstein gemauert, ohne Vorsprünge und mit nur sechs oder sieben kleinen Fenstern. Der einzige Ein- und Ausgang ist mit einer Haustür in normaler Größe verschlossen. Klett muss seinen Zug erreichen, aber als er versucht, in die Bahnhofshalle zu kommen, strömen endlos Menschen aus dem schmalen Ausgang. Erst nach vielen Minuten werden es weniger, und er kann sich ins Innere drängeln. Dort ist es jetzt menschenleer. [Lesezeit ca. 2 min] „Der große Bahnhof“ weiterlesen

Die Anzüge meines Vaters

Manchmal denke ich darüber nach, was aus meinem Vater geworden wäre, hätte es den Zweiten Weltkrieg nicht gegeben. Als er 1947 nach mehr als fünf Jahren Kriegsgefangenschaft in den USA und in England nach Deutschland zurückkehrte, lag seine Zukunft vor ihm wie ein weites, leeres Feld. Was für die Nation eine Stunde Null nach der totalen Zerstörung war, muss ihm vorgekommen sein wie eine Zeit der unbegrenzten Möglichkeiten. Denn sein Klassenhintergrund spielte keine Rolle mehr. Er konnte alles werden, und so verstand er sich als Aufsteiger, als einer, der seine Vergangenheit als Arbeiterkind hinter sich lassen und zum Bürger der Mittelschicht werden konnte. [Lesezeit ca. 7 min] „Die Anzüge meines Vaters“ weiterlesen

Leseprobe: Bleiben – ein Heimatroman (die letzten 10 Seiten)

Traurig macht sie schon lange, dass Willy, der Postbote, seit Jahren nicht mehr kommt. Denn der war immer gekommen, der war nie gealtert, der sah immer so aus, wie sie ihn mit dem Umzug ins eigene Haus kennengelernt hatte. »Wo hat Willy eigentlich gewohnt?«, fragt sie sich. Hat er überhaupt irgendwo gewohnt? Es war bekannt, dass er nicht nur jede Ansichtskarte las, bevor er sie zustellte, sondern manchen Brief über Dampf öffnete, ihn las und dann wieder verschloss. So war Willy immer über alles informiert, was die Menschen in seinem Bezirk betraf. [Lesezeit ca. 9 min] „Leseprobe: Bleiben – ein Heimatroman (die letzten 10 Seiten)“ weiterlesen

Leseprobe: Bleiben – ein Heimatroman (die ersten 10 Seiten)

Margarete im Krieg
Morgens um fünf schaltete Grete wie jeden Tag das Kofferradio in der Küche ein, während sie den ersten Kaffee kochte. Da war in den Nachrichten von einer militärischen Operation die Rede. Erst den Wetterbericht hörte sie sich aufmerksam an. Beim Mittagessen stellte sie fest, dass ihr altes Rundfunkgerät keine UKW-Sender mehr empfing. Nur über die Kurzwelle kamen Stimmen in fremder Sprache rein und eine Art Musik, die sie nie zuvor gehört hatte. [Lesezeit ca. 9 min] „Leseprobe: Bleiben – ein Heimatroman (die ersten 10 Seiten)“ weiterlesen

Bleiben – ein Heimatroman: Jetzt bestellen!

Endlich ist er da, mein Heimatroman rund um Grete, die am Moor geboren ist und immer dort leben wird.

Ihr könnt ihn direkt bei mir im Shop bestellen oder überall, wo man Bücher kaufen kann – bevorzugt natürlich im guten, alten Buchladen:

Rainer Bartel
Bleiben – ein Heimatroman
ISBN-13: 9783819276132
ISBN-10: 3819276130

Ich freue mich nicht nur über eure Käufe, sondern auf eure Kommentare und Meinungen zum Buch.

Frühe Lektüre

Das ist das Buch „Jenseits von Eden“ von John Steinbeck, eine Auflage für einen Buchclub, in dem mein Vater Mitglied war. Es ist einer der ersten Romane, die ich gelesen habe. Das dürfte 1961 oder 1962 gewesen sein; ich war also acht oder neun Jahre alt und hatte keine Angst vor dicken Schinken, denn in diesen Kinderjahren habe ich auch „Früchte des Zorns“ von Steinbeck, „Onkel Toms Hütte“ von Harriett Beecher-Stowe und „Gullivers Reisen“ von Jonathan Swift gelesen. Alles keine ausgesprochenen Kinderbücher. [Lesezeit ca. 2 min] „Frühe Lektüre“ weiterlesen

Vom Schwimmen

Streben wir nicht alle nach dem Meer? Zieht es uns nicht immer an den Strand? In die Brandung springen, unter Wasser schwimmen wie ein Fisch, auftauchen wie ein Delfin, angespült werden wie eine Echse, auf allen Vieren durch den Sand wie ein nasser Hund, dann der aufrechte Gang, Sandburgen bauen, Kanäle graben, Städte planen, Kriege führen. Klett kann nicht schwimmen und meidet das Wasser. [Lesezeit ca. 2 min] „Vom Schwimmen“ weiterlesen

Frühling in Minsk

Wir sehen eine junge Frau mit dunklem Haar und dunklen Augen im Sommerkleid im Kreis von fünf anderen jungen Frauen. Die Dunkelhaarige ist meine Mutter. Auf der Rückseite des Fotos steht nur: Hildburghausen 1941. Sie sieht fröhlich aus auf dem Bild, beinahe übermütig, und alle sechs Frauen scheinen getanzt zu haben. Wenn ich mich recht erinnere, hat meine Mutter erzählt, dass sie ihre Ausbildung zur Telefonistin dort bekommen hat. Nach allem, was ich recherchiert habe, dauerte diese Ausbildung sechs Monate. Danach wurde sie ins besetzte Minsk, der Hauptstadt Weißrutheniens, wie Belarus in der Nazizeit genannt wurde, eingesetzt. Es war für sie eine glückliche Zeit. [Lesezeit ca. 3 min] „Frühling in Minsk“ weiterlesen

Anziehungskräfte

Poss hatte die Arme auf den Beckenrand gelegt und sah sich von unten die Körper der Mitgereisten an, die dort standen oder gingen. Man schwamm nackt. Das hatten Julie und Meike, die Physiotherapeutinnen, so eingeführt ohne viel Aufhebens davon zu machen. Bis auf Uwe taten es ihnen alle nach. Der schlurfte gerade in Adiletten und bekleidet mit einer schlechtsitzenden Turnhose und in einem Deutschland-Trikot vorbei. Pia hatte neben Poss geparkt und ebenfalls die Arme auf den Beckenrand gelegt. [Lesezeit ca. 22 min] „Anziehungskräfte“ weiterlesen

Familienleben und Arbeitskampf

Der Wecker schellt um 5 Uhr 35. Ester erwacht und steht ohne Zögern auf. Sie trägt ein übergroßes T-Shirt mit Hello Kitty auf der Vorderseite. Die Morgenroutine: Duschen, Kaffee und Müsli. Dann rüber ins Werksschwimmbad, zehn Bahnen. Sie wohnt im Verwaltungsgebäude und fährt nur am Wochenende nach Hause. Anziehen und Make-up. Pünktlich um sieben landet der Helikopter auf dem Parkdeck. Meeting mit dem Vorstand um acht. Als Betriebsratsvorsitzende nimmt Ester Castaño-Kröner regelmäßig an diesen Sitzungen teil. Gerade jetzt in der Krise ist das wichtig. Das Management hat die Schließung von drei Fabriken und die Entlassung von mehr als 5000 Mitarbeitenden angekündigt. [Lesezeit ca. 17 min] „Familienleben und Arbeitskampf“ weiterlesen

Wird gestorben sein

In einer nasskalten Novembernacht erwachte Bronn gegen fünf Uhr und fand sich auf dem Rücken liegend vor. Er erschrak, denn üblicherweise schlief er bäuchlings auf der rechten Körperseite. Den rechten Arm unter dem Kopfkissen hindurch ausgestreckt, die linke Hand an seiner rechten Wange. Irgendwo hatte er vor vielen Jahren gelesen, dass eine spontane Änderung der Schlafhaltung auf den nahenden Tod hinweist. [Lesezeit ca. 2 min] „Wird gestorben sein“ weiterlesen

Vom Fliegen

Im Traum fliege ich wie ein Drachen durch Straßenschluchten. Ich ziehe ein Seil mit eingeknoteten schwarzen Schleifen hinter mir her. Zwischen fünf- oder sechsgeschossigen Häusern mit kleinen Fenstern und ockerfarbenen Fassaden. Manche haben Dachterrassen. [Lesezeit ca. 2 min] „Vom Fliegen“ weiterlesen

Die mobile Version verlassen