Nicht mein Typ

Es war von Anfang an klar, dass wir Sex miteinander haben würden. Dabei war sie nicht mein Typ, und ich – wie ich später erfuhr – auch nicht ihrer. Im Gegenteil. Wir begegneten uns im Rahmen einer ziemlich großen Familienfeier, von der wir den größten Teil verpassten. Ich war der Einladung gefolgt, obwohl ich nicht die geringste Ahnung hatte, ob und wie ich mit den Gastgeber verwandschaftlich verbunden war. Eileen ging es ganz ähnlich. So war ich auch gar nicht erst zu dem Teil der Feier gegangen, die am Morgen stattgefunden hatte, irgendeine Taufe, Trauung oder Beerdigung. Das Fest am Nachmittag, das man irgendwo auf einem idyllischen Gutshof organisiert hatte, den man für so etwas mieten konnte, hatte ich mir auch geschenkt; es wären mir vermutlich zu viele Kinder dort gewesen. Also fand ich mich erst zur Party ein, so gegen elf.

Wenn in einer Location, die gut und gerne tausend Leute fassen kann, knapp hundert versuchen, Party zu machen, das ist das eine traurige Angelegenheit. Vor allem, wenn die Gäste alle irgendwie miteinander verwandt sind. Da können der DJ noch so gut, das Buffet noch so lecker, die Drinks noch so steif sein. Ab und an blitzte ein Gesicht im Stroboskop auf, das mit vage bekannt vorkam. Irgendwann sprach mich ein Typ in meinem Alter an. Er kannte sogar meinen Namen und fragte, ob ich mich an ihn erinnere. Ich schüttelte den Kopf und leerte meine Wodka-Grapfruit auf einen Sitz. Auf der Tanzfläche nur junges Volk, also Teenager bis maximal Mitte Zwanzig. Und diese außergewöhnlich große Frau, die sich sehr anmutig, aber dezent zu den Rhythmen wiegte und dabei kaum mehr Bewegungen machte als unbedingt nötig.

Sie hatte sich geschickt angezogen, trug ein recht weites kariertes Herrenhemd über einem knallbunten Batik-T-Shirt. Weite Jeans und bequeme, flache Schuhe. Sie tanzte sich in meine Nähe, und mein Röntgenblick durchdrang ihre Kleidung als hätte ich solch eine komische App, mit der man fremde Leute nackt sehen kann. Ich sah ihre Fettpolster, ihre schweren Brüste, dieses viele, helle Fleisch. Überhaupt nicht mein Typ, wo ich doch zeit Lebens mehr auf androgyne Frauen stehe, hagere, sehnige Körper, harte Muskeln, kein Fett, kleine Brüste. Am liebsten mit kurzen, schwarzen Haaren und großen Augen. Eileen stellte das exakte Gegenteil dar. Zudem war sie einen guten halben Kopf größer als ich und fast zehn Jahre älter.

Und trotzdem war mir sofort klar, dass wir vögeln würde, dass wir schnell irgendwo landen würden, wo ich sie ficken würde, dass es dann weiterginge zu ihr, in ihr Bett, das wir zwei, drei Tage nur noch verlassen würden, um uns zu stärken oder auf die Toilette zu gehen. Ich stand da am Tresen, von hinten beleuchtet vom Getränkekühlschrank, sodass sie mein Gesicht nicht sehen konnte. Dann hatte sie genug vom Tanzen und wechselte auf die gegenüberliegende Seite, wo grellfarbige Sessel, Couches und Sitzkissen untergebracht waren. Sie hatte die Haare zu einer komplizierten, ein wenig altmodischen Frisur aufgesteckt, und sie war sehr blond.

Ich ließ mir eine Flasche Wasser geben und ging zur ihr rüber: Schätze, das kannst du jetzt gebrauchen, sagte ich. Sie hob ihr schweißnasses Gesicht, sah mich verächtlich an und antwortete: Trink niemals Wasser, da ficken die Fische drin. Nun gehöre ich nicht zu diesen coolen, selbstsicheren Männern, die auf so etwas schlagfertig reagieren. Aber ich war mir meiner Sache so sicher, dass ich die Flasche wegwarf und ihr meinen halbvollen Drink reichte. Gute Mischung, sagte sie, nachdem sie das Glas geleert hatte. Und: Hol mal Nachschub. Wir treffen uns wieder hier. Muss mich mal deodorieren. Wahrscheinlich war es ihre Stimme, die mir den Rest gab, die mich ernsthaft erregte, im wörtlichen Sinn. Mit einem halben Ständer marschierte ich an die Theke und führte ihre Befehle aus.

Man kann nicht sagen, dass Eileen dominant ist, im Bett schon gleich gar nicht. Sie ist einfach eine klare Persönlichkeit, die nicht lange rumredet, wenn sie etwas will, wenn sie etwas ablehnt oder etwas gut findet. Und wir sind uns ähnlich. Zumindest im Hinblick darauf, was die Leute an uns nicht mögen. Mir wird immer unterstellt, ich sei humorlos, und vermutlich bin ich das auch. Im Vergleich zu Eileen bin ich aber schon fast ein Clown. Wortkarg sind wir beide, das steht fest. Und in den nächsten drei Tagen und Nächten zeigte sich, dass wir sexuell ganz hervorragend zueinander passen. Mehr aber auch nicht.

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