Lustschrei

Das hatte sich Thibaud anders vorgestellt. Er hatte sich ausgemalt, dass Tizla käme in einem schlichten, schwarzen Kleid, dass er ein wunderbares Essen und herrlichen Wein servieren würde, dass er sie verzaubern könnte und dass er dann Sex mit ihr haben würde. Tizla Tunc hieße sie, berichtete er, als wir spät in der Nacht noch zu ihm kamen, nachdem er uns angerufen und um Beistand gebeten hatte. Tizla Tunc, das könne nur ein Künstlername sein, vermutete ich, aber Thibaud schüttelte den Kopf, es sei ihr richtiger Name. Sie sei Serbin, erzählte er und schilderte sie als knabenhafte, schwarzhaarige Frau mit rauer Altstimmme. Ihr Gesicht habe etwas Asiatisches, und ihre Hüften seien ein bisschen breit, obwohl sie insgesamt schmal, ja, auch ziemlich flachbrüstig sei. Aber das spiele keine Rolle. Tizla sei noch sehr jung, kaum sechsundzwanzig Jahre, sehr selbstbewusst, und er habe sie im Seminar kennen gelernt. Sie habe seine Einladung freudig angenommen, und er habe sich sehr auf den Abend und die Nacht, das gab er zu, gefreut. Aber sie sei nicht gekommen, habe auch nicht abgesagt.

Thibaud trug das Haar jetzt millimeterkurz, hatte eine sehr schmal geschnittene Hose an und ein weißes Hemd. Die Manschetten hatte er aufgekrempelt. Er wirkte sehr jugendlich. Gleichzeitig sah er traurig und erschöpft aus. Er sei sich sicher gewesen, sagte er als Zilly kurz draußen war, dass sie sich hätte ficken lassen. Genau so drückte er das aus. Sie habe den Eindruck gemacht, Sex wäre ihr wichtig und mache ihr Spaß. Sie müsse doch geahnt haben, weswegen er sie eingeladen hatte. Ja, sagte ich, vermutlich hat sie das und ist deshalb nicht gekommen. Thibaud nickte. Wir tranken den guten Wein aus, den er für Tizla ausgesucht hatte und gingen heim.

Vielleicht, sagte Zilly, muss Thibaud endlich akzeptieren, dass er nicht mehr jung ist mit seinen dreiundfünfzig Jahren. Sie hatte ihn zwischendurch manchmal angesehen mit einer Mischung aus Belustigung und Mitleid. Vielleicht, sagte sie auch, ist diese Tizla eine sehr kluge Frau, die rechtzeitig gemerkt hat, dass ein Fick mit Thibaud weder ihr noch ihm genutzt hätte, ja, ihm sogar geschadet hätte. Denn dann hätte sie seine verzweifeltes Festhalten an der Jugend noch befördert, seinen Wahn manifestiert. Warum er sich nicht eine Frau in seinem Alter suche oder eine, die vielleicht fünf, sechs, vielleicht auch zehn Jahre jünger sei als er, meinte Zilly. Eine, die einen schlauen Mann zu schätzen weiß und Sex mit einem erfahrenen Liebhaber Rammeleien mit jugendlichen Schnellspritzern, das war ihre Formulierung, vorziehe. Eine erwachsene Frau, mit der nicht auf laute Partys gehen müsse, die er ohnehin hasst, sondern die genau wie er gerne lange Wege ginge und dabei mit ihm über Dies und Das spräche.
Ich sagte dazu nichts, denn ich malte mir Tizla aus, stellte sie mir nackt vor, die schmalen Schultern, Brüste als schwache Erhebungen mit dunklen, kleinen Warzen, und einen pechschwarzen Haarbusch zwischen den starken Oberschenkeln. Fantasierte eine Liebesnacht mit ihr und ihre rauen Lustschreie.

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