Leseprobe: Bleiben – ein Heimatroman (die ersten 10 Seiten)

Margarete im Krieg
Morgens um fünf schaltete Grete wie jeden Tag das Kofferradio in der Küche ein, während sie den ersten Kaffee kochte. Da war in den Nachrichten von einer militärischen Operation die Rede. Erst den Wetterbericht hörte sie sich aufmerksam an. Beim Mittagessen stellte sie fest, dass ihr altes Rundfunkgerät keine UKW-Sender mehr empfing. Nur über die Kurzwelle kamen Stimmen in fremder Sprache rein und eine Art Musik, die sie nie zuvor gehört hatte.

Nachmittags kam, wie beinahe jeden Tag, Wilhelm, der alte Brockhoff, zum Kaffee rüber. »Sech, Machreth, hest du de Nachrichten sehn? Dat schall nu Krieg geven.« Sie schüttelte nur den Kopf. Ihr Fernseher ging gar nicht mehr, seit Hardy beim Versuch, eine Satellitenschüssel auf dem Dach zu montieren, abgestürzt war.
Über dem Moor hing ein feiner Dampf, wie meistens in dieser Jahreszeit. »Ich muss gleich noch den Hühnerstall reparieren. Hab die Tage ›n Fuchs gesehen«, sagte Grete nur. »Na, denn maak dat mal«, kommentierte der alte Brockhoff, trank seinen Kaffee aus und ging.

Als die Airforce der Vereinigten Staaten am 6. August 1945 die erste Atombombe auf Hiroshima abwarf, war Margarete elf Jahre alt und hatte Sommerferien. So wie sie und Gerd schon seit dem April Ferien hatten. Alliierte Truppen hatten die Bischofsstadt eingenommen, und als Lehrer Lindemann nicht mehr an den Endsieg glaubte und als alter Parteigenos-se fürchten musste, von den Briten zur Verantwortung gezo-gen zu werden, hatte er sich davongemacht, sodass man die Dorfschule schloss.

Der Sommer war mild. Die Kinder halfen bei der Ernte, soweit es überhaupt etwas zu ernten gab. So erfuhren Grete und Gerd erst im Herbst von der Atombombe auf Hiroshima. Fräulein Lehmann war zurückgekehrt und verwandte viel Zeit darauf, den Kindern von den schrecklichen Verbrechen der Nazis zu erzählen und davon, wie die Franzosen, die Belgier, die Briten und die Amerikaner Deutschland befreit hatten; über die sowjetischen Streitkräfte verlor sie kein Wort. Eines Tages brachte sie einen Zeitungsausschnitt mit, auf dem das zerstörte Hiroshima zu sehen war und erklärte, dass eine Atombombe viel schrecklicher sei als die Bomben, die während des Krieges auf Deutschland niedergegangen seien, und illustrierte diese Aussage mit dem Foto eines Atompilzes über dem Testgelände von Los Alamos.

Sie sprach von der gewaltigen Explosion und von dem riesigen Feuerball, der alles im Umkreis von vielen Kilometern verbrennt, von dem anschließenden Feuersturm und der radioaktiven Strahlung, die Menschen vergiftet, die sich mehr als zwanzig Kilometer vom Ort der Detonation aufhielten. Sie berichtete von den mindestens einhunderttausend Menschen, die von diesem Feuerball sofort getötet wurden, von Opfern, von denen keine Spur mehr zu finden war, und von weiteren hundertachtzigtausend Japanern, die schnell oder erst nach Jahren an den Folgen der Atombombe starben.

Grete war schockiert und versuchte sich einen Feuerball vorzustellen, so groß wie die Siedlung oder das Dorf, einen Atompilz, der über dem Moor steht. Während des Krieges war keine einzige Fliegerbombe auf das Dorf gefallen, nur weit draußen über dem Moor hatten britische Bomber ab und an überzählige Geschosse abgeworfen, und einmal war eine Phosphorbombe niedergegangen und hatte einen Torfbrand ausgelöst, der noch Jahrzehnte später nicht erloschen war.

Als sie und Gerd schon verheiratet und ihre einzige Tochter Annegret geboren war, gab es eine Veranstaltung im Saal der Gastwirtschaft Maschen, auf der die Bevölkerung über die atomare Bedrohung durch die Sowjetunion informiert wurde und ein Beamter erklärte, was im Fall des Falles zu tun sei. Ein Film in englischer Sprache mit deutschen Untertiteln wurde vorgeführt, in dem nicht nur mehrere Atomwaffentests zu sehen waren, sondern auch Eltern und Kindern in Bunkern und Atomschutzübungen, bei denen sich Menschen auf den Boden warfen und ihre Köpfe mit Zeitungen und Aktenmappen schützten.

»Glaubst du«, fragte sie Gerd, »dass die irgendwann mal eine Atombombe auf uns werfen?«
Ihr Mann schüttelte nur den Kopf: »Wir sind viel zu unwichtig. Mach dir keine Sorgen.«

Aber in der Nacht träumte Grete, dass hinter den Kämmen des Mittelgebirges ein gewaltiger Feuerball aufstieg, aus dem Atompilz wuchs, der bis in den Himmel reichte. Dass dann ein heißer Wind über das Land und das Moor zog. Wie sie mit dem Fahrrad in die Berge fuhr, den Gipfelkamm erreichte und sah, dass sich von dort aus bis zum Horizont nur noch verbranntes Land erstreckte, aus dem hier und da schwarze Baumstämme oder Reste von Gebäuden aufragten.

Margarete allein
An einem glänzenden Sonntag Ende Juni feiert Margarete Kranzow geborene Lage verwitwete Brockhoff verwitwete Hanke ihren vierundneunzigsten Geburtstag. Ganz allein. Ihre drei Ehemänner sind bereits vor Langem gestorben, und auch drei ihrer vier Töchter sind schon tot. Über den Verbleib der Jüngsten weiß sie nichts. Sie hat keine Verwandten mehr. Außerdem sind alle Nachbarn bereits fortgegangen oder tot. Sie wird auch mit dieser Situation fertig werden. Fit genug ist Grete. Ihr fehlt nichts.

Der Garten, den sie Jahr für Jahr auf dieselbe Weise pflegt, gibt ihr genug zu essen. Sie besitzt über hundert Weckgläser, gut gefüllt mit eingemachtem Gemüse und Obst. Kürbis, süßsauer eingelegt wie sie es von den Flüchtlingen gelernt hat, ebenso die fetten Birnen aus dem September, strahlend gelb und blassgrün, daran kann sie den Inhalt unterscheiden, denn sie beschriftet die Gläser nicht.

Eingeweckt wird alles, was sie gerne isst: Erbsen und Möhren, die süßen Kirschen vom Baum vorne an der alten Scheune, saure Johannisbeeren, aus denen sie auch Saft keltert. Strauchbohnen vor allem und alle Bohnensorten, die auf dem feuchten Moorboden gedeihen. Die Kartoffeln lagern in der kühlen Vorratskammer.

Sieben Hühner und einen Hahn hat sie auch. Wenn ihr nach Fleisch ist, schlachtet sie eines davon oder geht mit der alten Flinte auf Kaninchenjagd. Nachdem die Bauern mitten im Krieg ihr Vieh im stichgelassen haben, hat sie einige Rinder geschlachtet und eingedost. Die Dosenmaschine und die passenden Büchsen hat sie beim Schlachter Niehus im Dorf gestohlen, der ist ja auch weg.

Das Wasser kommt aus dem Brunnen ganz hinten im Garten. Und solange es noch Strom gibt, funktioniert auch die Tiefkühltruhe, gefüllt mit allem, was sie aus den Supermärkten der Umgebung gerettet hat. Schlimmstenfalls könnte sie das Notstromaggregat mit Benzin betreiben, das sie in der verlassenen Tankstelle stiehlt. Sie heizt und kocht mit Holz und Torf, den sie in rauen Mengen in der stillgelegten Moorfabrik findet. Es geht ihr gut.

Vermutlich, weil sie sich seit mehr als zwanzig Jahren an eine tägliche und zudem an eine wöchentliche Routine hält. Zweimal in der Woche radelt sie über die stille Landstraße ins Dorf. Zuerst besucht sie den Friedhof und legt Blumen auf die sechs Gräber ihrer Familienmitglieder. Danach sieht sie in der Kirche nach dem Rechten. Jeden Sonntag um zehn schließt sie das Gotteshaus auf. Wenn sie abends um sieben zum Abschließen wieder dorthin fährt, findet sie manchmal eine frisch entzündete Kerze auf dem Blech vor der Muttergottes.

Dabei hat sie im Ort seit gut sechseinhalb Jahren keinen anderen Menschen mehr getroffen. Manchmal hat sie Sehnsucht nach ihren Schwestern, mit denen sie ihr Leben lang ein inniges Verhältnis gepflegt hat. Aber auch Hildegard und Ingeborg sind schon lange nicht mehr da.

Um fünf Uhr steht sie auf und kocht Kaffee, den sie streng rationiert, denn die Vorräte gehen langsam zur Neige. Dann sitzt am Fenster oder auf der Terrasse am Schuppen, bis sie ihn ausgetrunken hat. Im Winter macht sie sich im Haus zu schaffen, solange es draußen noch dunkel ist. In der hellen Jahreszeit geht sie gleich in den Garten, pflanzt, jätet und gießt die Beete, wenn die es nötig haben.

In der Küche steht das Kofferradio aus den Sechzigern, das Gehäuse mit blassrotem Kunstleder bezogen, dazu elfenbeinfarbene Tasten und Knöpfe. Früher hat sie am liebsten klassische Musik gehört, aber jetzt ist sie auf die beiden Kurzwellensender angewiesen, die sie noch empfangen kann. Dort bietet man ein Programm in einer fremden Sprache und mit Musik, die sich anders anhört als das, was sie ihr Leben lang gemocht hat. Aber auch die gefällt ihr.

Nach dem Frühstück, zu dem immer ein frisches Ei gehört, legt sie sich für ein Nickerchen aufs Sofa in der Stube. Natürlich backt sie auch Brot, aber inzwischen werden die Mehlvorräte so knapp, dass sie nur noch zweimal die Woche zwei Laibe im Holzofen draußen am Schuppen backen kann. Sie wird sich im Ort umsehen müssen, um vielleicht beim Bäcker oder im Lager des Supermarkts noch Mehl zu finden.

Gegen ein Uhr, nach dem Mittagsschlaf, nimmt sie Tag für Tag eine Dusche in der Waschküche, in der es einen mit Torf oder Holz beheizbaren Kessel gibt. Seit Jahren trägt sie nur noch Kittelschürzen aus ihrer umfangreichen Sammlung, ab Ostern und bis weit in den Oktober hinein verzichtet sie auf Unterwäsche. Schon als junge Frau hat sie es geliebt, unter der Oberbekleidung nackt zu sein.

Dann isst sie ein wenig eingemachtes Obst und trinkt noch einen Kaffee oder seit einiger Zeit einen Tee aus Kräutern, die sie am Waldrand sammelt. Sie liest gern. Leider hat sie alle Bücher und Zeitschriften, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, wenigstens einmal durchgelesen. Aber ihr bleibt immer noch die Bibel, und in einer Illustrierten von vor zwanzig, dreißig Jahren zu blättern, macht ihr immer noch Freude.

Mindestens einmal am Tag, meistens am Nachmittag, legt sie eine Patience. Kärtchen spielen nennt sie das und benutzt dabei ein Blatt, das sie von ihrem Großvater geerbt hat, die Karten halb so groß wie übliche Spielkarten. Und ab und zu zählt sie durch, ob wirklich noch alle da sind, denn wenn eine oder mehrere fehlen, gehen die Patiencen nicht auf. Drei Varianten kennt sie, alle halbe Jahre wechselt sie, damit ihr nicht langweilig wird. Außerdem löst sie einmal die Woche Kreuzworträtsel. Meistens in den Zeitschriften, die ihr die Nachbarn einst vorbeigebracht haben, wenn sie diese ausgelesen hatten.

Schnell hat sie sich angewöhnt, die Lösungswörter mit Bleistift einzutragen, um sie ausradieren zu können, wenn sie dasselbe Rätsel noch einmal bearbeiten will. Im Wohnzimmerschrank gibt es ein Fach, in dem sich die Zeitschriften stapeln. Seit es keinen Nachschub mehr gibt, weil nichts mehr gedruckt wird und die Nachbarn ohnehin alle weg sind, ist sie froh über den Vorrat an ausradierten Kreuzworträtseln. Natürlich beherrscht sie auch das Skatspiel, wie die meisten Frauen in der Gegend. Beigebracht hat es ihr der Opa, der es sogar bis zu Teilnahme an deutschen Meisterschaften gebracht hat. Über viele Jahre trafen sich die Nachbarn im Gasthof Maschen, um einen Skat zu dreschen, und Grete war gern dabei.

Ein paar Jahre zuvor, als alle noch da waren und sie ihren zweiundachtzigsten Geburtstag feierte, fragte Emmi, also Frau Grundmann von nebenan: »Warum willst du eigentlich lange leben?«
Grete dachte eine Weile nach und nippte an der Kaffeetasse. »Wer sagt, dass ich lange leben will?«

Und erklärte ihrer Nachbarin, dass die Länge eines Lebens nicht in der Hand des Menschen läge, sondern von Gott bestimmt sei. Da könne man nichts machen. Es war dieselbe Emmi, die lange bevor die feindlichen Truppen kamen, Selbstmord beging, indem sie genau die Stelle im Moor aufsuchte, von der es hieß, sie verschlinge Menschen in wenigen Minuten.

Jeden Samstag holt Margarete die Fotoalben hervor und sieht sich die Familienbilder darin an. Die Beerdigungen ihrer Lieben liegen nun schon so lange zurück, dass sie beim Betrachten der Fotos nicht mehr traurig wird. Manchmal bleibt sie an einem Bild hängen, das besonders starke Gefühle hervorruft, und verliert sich über Stunden in Erinnerungen an die alten Zeiten. Als es noch ging, hat sie von einigen Fotos, die ihr besonders wichtig sind, große Abzüge anfertigen und rahmen lassen. Die hängen nun in der alten Diele, die das Haus von vorne bis hinten durchschneidet und früher für die Fuhrwerke gedacht war, die das Heu in die Scheune brachten. 

Gerd und Grete
Bisweilen bleibt sie vor einem dieser Bilder stehen. Besonders oft vor einem sehr alten Foto, das ein reisender Fotograf aufgenommen hat, als sie noch nicht einmal ein Schulkind war. Ein dürres blondes Mädchen, das misstrauisch in die Kamera blickt, an ihrer Seite ein Junge in kurzen Hosen. Der hat wie beinahe alle Kinder in der Gegend semmelblondes Haar und grinst breit.

Das ist Gerhard, ihr erster Gatte, zweitältester Sohn des Großbauern Brockhoff, ein Nachbarskind, denn der Brockhoff’sche Hof grenzte im Osten direkt an ihr elterliches Haus. Ursprünglich war die Familie Lage Pächter eines Kotten am Rande des großen Moors. Weil ihr Großvater Friedrich aber fleißig war und schlau und so den Brockhoffs nützlich, verpachtete man ihm ein Grundstück, auf dem er kurz vor der Jahrhundertwende ein Haus samt Scheune und Schuppen errichtete und einen Garten anlegte.

Gerd und Grete waren die einzigen Kinder ihres Alters hier draußen und deshalb aufeinander angewiesen. Sein Bruder war zehn Jahre älter, genau wie Margaretes Schwestern so viel älter waren als sie, dass sie in Kindertagen beide wenig mit ihr anzufangen wussten. Erwachsene begannen sich ohnehin erst für ihren Nachwuchs zu interessieren, wenn der auf irgendeine Weise in der Landwirtschaft helfen konnte. So hatten die beiden alle Freiheiten, die man im Alter zwischen fünf und zehn Jahren auf dem Land haben kann. Selbst wenn sie nicht zum Abendessen zuhause erschienen, machte sich niemand Sorgen; man nahm einfach an, dass Grete bei den Brockhoffs zu Abend aß oder Gerd bei der Familie Lage.

Manchmal spielten sie Hänsel und Gretel und marschierten Hand in Hand den schnurgeraden Weg auf das Gehölz im Westen zu. Gerd hatte die Idee, unterwegs Brotkrumen zu verstreuen, damit sie sich nicht verirrten. Aber die Krähen vom Feld pickten alle auf. »Gut, dass wir nicht in den Wald gegangen sind«, sagte er, nachdem sie umgekehrt waren.

Beim nächsten Mal warf er alle paar Meter schöne, runde Kieselsteine auf den Pfad, und sie trauten sich dieses Mal bis zu der Lichtung mit den großen Buchen. Da setzten sie sich nieder und packten Brot und Wurst aus, um sich zu stärken. Als die Dämmerung über den Wald fiel, brachen sie rasch auf und gingen wieder nachhause, die Steine wiesen ihnen den Weg.

Hinter den Gärten erstreckte sich ein Acker über mehr als einen Hektar, auf dem die Brockhoffs Rüben für die Silage anbauten. Das Feld grenzte an den Hauptentwässerungskanal, der über achtzehn Kilometer schnurgerade von West nach Ost verlief und den Moorsee speiste. Dahinter begann das, was bei den Leuten der Gegend seit Urzeiten das Düwelsmoor hieß. Hier stachen die Bauern ebenfalls seit Jahrhunderten Torf als Brennmaterial für ihre Öfen.

Das Moor war durchzogen von einem Netz aus Dämmen, von denen man einen Teil in den Jahren nach dem Weltkrieg asphaltiert hatte. Jeder Mensch in der Umgebung kannte sich im Moor aus und wusste, wo es die Sumpflöcher gab, die einen Menschen verschlingen konnten. Jedes Mal, wenn die Kinder den Hof verließen, rief der Altbauer ihnen hinterher: »Passt op, dat jo de Behem nich faatkregen deit!!«

Denn im Moor, so die Legende, sollte ein mystisches Wesen leben, von dem es hieß, dass es sich von Kindern ernähre. Der Behem hause in einem der Sumpflöcher tief unter der Oberfläche und warte geduldig auf Opfer. Deshalb schärften die Anwohner ihren Söhnen und Töchtern ein, das Moor nur auf den Wegen und Dämmen zu durchqueren, weil niemand genau wisse, wo das Ungeheuer gerade auf Beute lauere.

Und um die Sache plastisch zu machen, schilderten die Alten den Behem gern ganz genau. Es handele sich um ein übermenschlich großes Wesen, ein graues, formloses Ungetüm, halb Tier, halb Mensch, mit sechs Armen, von denen es zwei wie die Tentakel eines Tintenfisches ausfahren könne, um so sein Opfer zu umschlingen und in die Tiefe zu ziehen. Kaum jemand habe den Behem je zu Gesicht bekommen, nur alle siebzig, achtzig Jahre zeige sich das Ungeheuer für ein paar Augenblicke, und wer es gesehen habe, verlöre auf der Stelle den Verstand.

Manchmal aber verlasse der Behem den Sumpf und rase wie der Wind über das Moor, so schnell, dass man ihn nicht sehen könne. Aber wenn er an einem Menschen vorbeiflöge, spüre der den Lufthauch und könne den fauligen Dunst des Ungeheuers riechen. Jedes Erscheinen des Monsters kündige schlechte Zeiten an, hieß es, es gäbe dann Überschwemmungen, Missernten, Hungersnöte, Seuchen oder Krieg. Der Altbauer vom Brockhoff-Hof behauptete, er habe den Behem gespürt, wie er damals wenige Tage vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs übers Moor gesaust sei.