Eine Offene Ehe

Ein Freitag im April. Abends gegen sieben Uhr. Er sitzt am Küchentisch. Vor sich ein Glas Bier. Und liest die Zeitung. Sie steht an der Tür. Er blickt auf und sagt: [Lesezeit ca. 2 min]


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„Gehst du zu ihm?“
„Ja.“
„Warum?“
„Er macht es mir gut.“
„Und ich?“
„Du machst es mir auch gut.“
„Und warum gehst du dann zu ihm?“
„Er ist anders.“
„Was heißt das?“
„Anders, eben.“
„Ist sein Schwanz länger?“
„Weiß nicht, hab nicht nachgemessen.“
„Was ist es dann?“
„Er macht es anders.“
„Wie genau?“
„Darüber möchte ich nicht sprechen.“
„Liebt er dich?“
„Nein.“
„Und du?“
„Ein kleines bisschen. Vielleicht.“
„Wirst du mich wegen ihm verlassen.“
„Wahrscheinlich nicht.“
„Will er, dass du mich verlässt?“
„Im Gegenteil.“
„Was bedeutet das?“
„Er muss allein bleiben.“

Pause.

„Wann kommst du zurück?“
„Kann spät werden.“
„Kommst du dann zu mir ins Bett?“
„Ganz sicher.“

***

Foyer. Nach Mitternacht. Sie steht am Tresen. Die Betreuerin sagt:
„Das tut ihm gut, dass sie ihn vögeln. Er blüht richtig auf. Ihnen ist klar, dass wir das eigentlich nicht zulassen dürfen. Aber es geht ihm besser so.“
Sie hat beim ersten Besuch gesagt, sie sei eine Nichte. Die Schwester hat zufällig mitbekommen, dass sie Sex hat mit dem alten Mann.
„Was sagt er dazu?“
„Gar nichts. Er erinnert sich nicht. Wissen Sie, das Kurzzeitgedächtnis… Erkennt er Sie?“
„Ja. Nur mein Name fällt ihm nicht ein. Er nennt mich Kleene.“
„Kommen Sie bei ihm?“
„Ja, immer.“
„Und er?“
„Auch.“
„Lieben Sie ihn?“
„Ein kleines bisschen. Vielleicht.“
„Kommen Sie wieder?“
„Ja, sicher.“

***

Gegen vier Uhr morgens. Sie hat sich ausgezogen und ist zu ihm ins Bett gekrochen. Er ist wach geworden, und sie haben ganz sanft Liebe gemacht.
„Wirst du wieder zu ihm gehen?“
„Ja, sicher.“
„Warum?“
„Er braucht es, ich brauche es.“
„Ist okay. Solange du immer wieder zurückkehrst.“
„Das werde ich.“

[Illustration generiert von Google Gemini]